Käpt’n, Käpt‘n – wir stecken fest! So manchem Schiffsführer mag diese Meldung in früheren Zeiten unangenehm in den Ohren geklungen haben, zumindest, wenn es weseraufwärts ging. Verantwortlich für den unfreiwilligen Stopp war die zunehmende Versandung des Flusses, die vor allem den immer größer werdenden Seeschiffen die Weiterfahrt in den Bremer Hafen erschwerte, um nicht zu sagen unmöglich machte. Eine Lösung musste her: Die Fracht wurde auf flachere und kleinere Schiffe, die so genannten Leichter, umgeladen und die schnell anwachsende Leichterflotte brauchte einen Hafen.
Die Wahl fiel schließlich auf Vegesack, das damals noch Fegesacke hieß und nicht viel mehr als eine Ansammlung weniger Häuser war. Das Örtchen hatte allerdings eine gut geschützte Lage zu bieten, so dass es sich auch als Ruheplatz im Winter anbot, wenn man ein Leck flicken oder Segel und Tauwerk in Ordnung bringen wollte.
Fachkundige Bauleute aus dem benachbarten Holland wurden angeworben und starteten 1619 schließlich die Mission „Ein Hafen für Vegesack“ fast zeitgleich mit dem Beginn des 30jährigen Krieges. Drei Jahre und rund 12.000 Taler später war alles weitgehend in trockenen Tüchern und Deutschlands erster künstlich angelegter Hafen machte sich daran, Geschichte zu schreiben.
Ganz großes Kino war die Rolle des Havens in punkto Walfang. Von hier aus machte man sich damals auf in die Arktis, der Vegesacker Werftbesitzer Johann Lange baute 1830 eigens eine ganze Walfangflotte auf. Seine Witwe Anna zeigte sich übrigens später für die Zeit außergewöhnlich selbstbewusst sowie mit ökonomischem Talent gesegnet und widersetzte sich erfolgreich der männlichen Konkurrenz. Überliefert ist sinngemäß: „Anna Lange? Der einzige Mann in Vegesack!“
Die Vegesacker setzten dieser Zeit ein Denkmal, als sie den Walkiefer eines echten Blauwals am „Utkiek“ aufstellten, der ihnen von einem norwegischen Reeder zugedacht worden war. Das Original wurde später durch einen Bronze-Abguss ersetzt
Der Schiffbau war übrigens über lange Zeit hinweg den Bremern vorbehalten – Vegesack gehörte damals noch nicht zur Hansestadt. Allerdings fehlte es der Weser dort an Tiefe und so wurde Vegesack, beginnend im Jahrzehnt nach Fertigstellung des Hafens, nach und nach auch zum Standort bedeutender Werften. Der erste deutsche Flussdampfer lief 1817 übrigens bei der erwähnten Lange Werft vom Stapel. Zum Ende des 19. Jahrhunderts folgte die Gründung der Lürßen Bootsbau, heute als Lürssen Werft und Weltmarktführer bekannt – und das sind nur einige Beispiele.
Nach einer wechselvollen Geschichte verlor der Haven wegen der weiteren Versandung an Bedeutung. In der Folge wurden die weserabwärts gelegenen Häfen Brake und Elsfleth zunehmend mit der Verladung von Gütern beauftragt. Die Gründung Bremerhavens mit dem Ausbau eigener Häfen im Jahr 1827 nahm dem Vegesacker Liegeplatz, zumindest was den Seehandel betraf, endgültig seine ehemals wichtige Funktion. Als Werfthaven und später als Liegeplatz für die zahlreichen Heringslogger spielte er allerdings auch weiterhin eine große Rolle.
Eine innovative und optisch auffallende Seilzugklappbrücke – sie gehört zu den modernsten ihrer Art – verbindet seit dem Jahr 2000 die beiden Hafenseiten. So als wäre das silberne Konstrukt die gelungene Verbindung einer langen, wechselvollen Geschichte mit der Moderne.